Beschluss des SPD-Präsidiums: Aufarbeitung und Wiedergutmachung von Kindesmissbrauch ist unverzichtbar
Das Präsidium der SPD hat heute folgenden Beschluss gefasst:
1. Aufarbeitung und Wiedergutmachung von erfahrenem Leid - unverzichtbar für Betroffene und Gesellschaft
Die menschenverachtenden Fälle von sexueller Gewalt in Schulen, Internaten und anderen Einrichtungen, die im vergangenen Jahr bekannt geworden sind, haben zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte geführt und einen umfassenden Aufarbeitungsprozess eingeleitet. Viele Betroffene haben seitdem ihr Schweigen gebrochen und den Mut aufgebracht, über das Erlebte zu sprechen. Sie haben damit in erheblichem Maße dazu beigetragen, das Thema der Gewalt und Misshandlung von Kindern und Jugendlichen in Institutionen und in der Familie weiter zu enttabuisieren. Dafür gebührt ihnen unsere Anerkennung und unser Dank.
Vor etwas mehr als einem Jahr hat die Unabhängige Beauftrage zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs, Dr. Christine Bergmann, ihre Arbeit aufgenommen. Sie gründete die Anlaufstelle für Betroffene, wo seitdem mehr als 15.000 Anrufe und Briefe eingegangen sind. In dieser Woche wird sie der Bundesregierung und dem „Runden Tisch - Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ ihre Empfehlungen über immaterielle und materielle Hilfen für Betroffene vorlegen. Dabei ist neben Entschädigung und Verlängerung der Verjährungsfristen die Unterstützung bei Therapie und Beratung äußerst wichtig für die Betroffenen.
Der von Dr. Christine Bergmann eingeleitete Aufarbeitungsprozess ist von hohem Wert nicht nur für die Betroffenen, sondern für unsere Gesellschaft insgesamt. Die SPD setzt sich deshalb dafür ein, dass die Arbeit der Unabhängigen Beauftragen dauerhaft weitergeführt werden kann. Das Angebot der Anlaufstelle für von sexueller Gewalt Betroffene, das sich als ein zentraler Baustein für die Aufarbeitung erwiesen hat, darf nicht - wie bisher geplant - im Herbst 2011 beendet, sondern muss zur dauerhaften Institution ausgebaut werden.
2. Gleichwertige Hilfe und Unterstützung für alle Opfer von Unrecht und Misshandlungen
Bereits im Januar 2011 hat der „Runde Tisch - Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“ seinen Abschlussbericht sowie seine Empfehlungen zur Rehabilitierung der Betroffenen vorgelegt. Er hatte sich auf Anregung der SPD im Februar 2009 gebildet und war mit der Aufarbeitung, Anerkennung und Wiedergutmachung des vielfachen Leids und Unrechts, das Kindern und Jugendlichen während ihrer Unterbringung in Erziehungsheimen der Bundesrepublik Deutschland widerfuhr, beauftragt. Ausdrücklich ausgenommen von der Arbeit des Runden Tisches war die Praxis der Heimerziehung in der DDR.
Es besteht dabei jedoch kein Zweifel daran, dass es ebenso Leid und Unrecht für Heimkinder in der DDR gab wie für Heimkinder in den 50er und 60er Jahren in der Bundesrepublik. Aus diesem Grund setzen wir uns dafür ein, dass zügig ein einheitliches Hilfemodell für alle Opfergruppen Anwendung findet. Es muss allen Opfern von Misshandlungen wirksam, gleichwertig, unkompliziert und diskriminierungsfrei geholfen werden - unabhängig davon, ob ihnen das Leid in einer Institution oder in der Familie widerfahren ist, ob sie aus Ost- oder aus Westdeutschland stammen.
Unabhängig von der umfangreichen Aufarbeitung des in westdeutschen Heimen erlittenen Unrechts durch den Runden Tisch „Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“ muss jetzt auch eine Aufarbeitung des erfolgten Unrechts in DDR-Heimen erfolgen. Wir fordern die Bundesregierung auf, dafür einen Forschungsauftrag zu vergeben.
3. Gesellschaft muss Verantwortung übernehmen
Es ist ein großer Erfolg, dass es in den vergangenen Jahren gelungen ist, eine gesellschaftliche Diskussion über Misshandlung und sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Deutschland zu initiieren und das Schweigen zu brechen. Diesen Prozess wollen wir weiterführen. Die Gesellschaft muss das von Kindern und Jugendlichen erlittene Leid und Unrecht anerkennen und die Verantwortung dafür übernehmen. Neben der Entschädigung und der Verlängerung von Verjährungsfristen brauchen wir vor allem ein enges Netz an Beratungs- und Therapieangeboten. Von zentraler Bedeutung ist aber auch eine bessere Prävention sowie ein umfassender Kinder- und Jugendschutz. Die SPD wird sich deshalb für ein gutes Bundeskinderschutzgesetz einsetzen, das die Prävention ausbaut und bundeseinheitliche Standards, verlässliche Strukturen sowie eine nachhaltige Finanzierung des Kinderschutzes sicherstellt.
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