Hausbesuch bei Mutter (82) in Neuendorf: „Mein Sohn war immer anders“
Koblenz - Er hortete ein riesiges Waffenarsenal – mitten in Koblenz-Neuendorf, in einer völlig vermüllten Wohnung, sogar in der Küche: Plastiksprengstoff und Sprengzünder, Hunderte Schuss Munition und Teile von Maschinengewehren.
Der 45-Jährige ist der „Waffennarr aus der Chaos-Wohnung“ – so nannte ihn unsere Zeitung. Aber: Seine Mutter (82), die mit ihm seit 45 Jahren zusammenwohnt, ist damit nicht einverstanden. Sie kam immer wieder in unsere Redaktion, wollte unbedingt mit dem zuständigen Redakteur sprechen. Schließlich lud sie ihn zu sich in die Wohnung ein, zu einem klärenden Gespräch.
Ein Erfahrungsbericht: Ein ordentliches Haus mit Walmdach, der Flur riecht nach Bohnerwachs, die Treppe zum ersten Stock knarzt bei jedem Schritt. „Schön, dass Sie gekommen sind“, freut sich die alte Dame. „Hier geht es lang.“
Hinter der Wohnungstür stapeln sich bis unter die Decke ein Dutzend verstaubte Backöfen und Mikrowellen. Der Sohn hat sie vom Sperrmüll – warum er sie sammelt, was er damit will, bleibt unklar. Die Küche: Gegenüber der Tür ein großer Fernseher, unter dem Esstisch ein noch größerer Fernseher – beide seit 1988 kaputt, mindestens. An der Wand ein Holzofen – seit 1988 unbenutzt. Daneben ein Elektro- und ein Gasherd – beide kaputt. Überall Kartons und Kisten. Ein enger Weg führt in U-Form durch den Raum – am Ende ein blau-weiß lackierter Schrank. Seine Türen quietschen, innen gähnt die Leere. In den Regalen liegen nur ein paar Videokassetten, Grablichter und ein Radkreuz für Autoreifen. Früher türmten sich hier Chemikalien und Waffenteile. Die Frau behauptet, ihr Sohn habe sein Waffenarsenal ausschließlich in diesem Schrank gelagert. Doch die Staatsanwaltschaft betont: Die Polizei habe im Oktober 2010 bei der Durchsuchung der Wohnung in allen Räumen etwas sichergestellt.
"Mein Sohn liebt Waffen - aber er ist kein Narr"
„Mein Sohn war schon immer anders“, erzählt die Mutter und brüht Kaffeewasser mit einem Tauchsieder. „Schon als Vierjähriger wollte er, dass ich ihm vorlese. Aber keine Märchen-, sondern Chemiebücher. Das Periodensystem kannte er auswendig.“ Weiter erzählt sie: Sein Vater war in Tschechien Waffenkonstrukteur, daher wohl die Faszination für Waffen. Sein Arsenal kaufte er meist auf Ausstellungen in Tschechien, Österreich und Deutschland. „Ich war oft dabei. Er war froh, wenn Mama mitkam.“ Meist setzte sie sich in eine Ecke und strickte, während er Gewehrteile oder Munition kaufte. Er sei Einzelgänger, habe wenige Freunde.
„Mein Sohn liebt Waffen!“, sagt sie. „Aber er ist kein Narr. Er sammelte die Militaria nur, wollte niemandem etwas antun.“ Ja, er besaß auch ein Buch mit dem Titel „Pyrotechnik für Terroristen“. Aber ihn habe nur die Pyrotechnik interessiert, nicht der Terror. Sie hofft, dass ihr Sohn bald freikommt.
Vielleicht entsorgt er dann auch die kaputten Fernsehgeräte.http://www.rhein-zeitung.de/startseite_ ... articletop