Saudische Prinzen und böse CIA-Agenten - Sudanese in Wiesbaden vor GerichtVon Wolfgang Degen
„Ich sehe ihn jede Nacht“, sagt das Opfer. Es ist dann die Zeit der Albträume. Das Gesicht, das auftaucht, ist das Gesicht des Noch-Schwiegersohnes. Der Sudanese muss sich seit heute wegen versuchten Mordes verantworten. Am 11. Oktober 2010 soll der 42-jährige Abdelmuniem A. in der Feldbergstraße in Wiesbaden-Biebrich der Frau aufgelauert und sie dann mit einem Messer schwer verletzt haben. Nach dem Angriff soll der sehr gläubige Moslem in der Moschee in der Henkellstraße gebetet haben. In der Nähe der Moschee endete auch seine Flucht.
Es grenzt an ein Wunder, dass die Frau überlebt hat. Niere, Lunge, Milz, Zwerchfell und die Hauptschlagader wurden getroffen. Die Konfrontation gestern erträgt sie nur schwer. Im Gerichtssaal haben ausnahmslos alle schwer zu tragen mit diesem Angeklagten, dem auch noch ein brutaler Angriff auf seine Frau in der gemeinsamen Wohnung in Aschaffenburg im September 2010 zur Last gelegt wird. Die Anklage geht davon aus, dass der 42-Jährige seiner Schwiegermutter die Schuld gab für die Trennung der Eheleute und deswegen zugestochen habe.
Fantasiereisen und absurde Schilderungen
Die Schwurgerichtskammer erlebt häufig Fantasiereisen und absurde Schilderungen, das Gehörte stellt vieles in den Schatten. Der Sudanese lässt gedanklich die saudische Königsfamilie aufmarschieren, er rühmt sich bester Kontakte zu Prinzen, denen er als Dolmetscher oder Fahrer gedient haben will. Ein königliches Dekret habe ihm eine Vorzugsbehandlung garantiert. „Ich war Hüter gewisser Geheimnisse“, sagt er. Es ist der mit Abstand geschwätzigste Geheimnisträger. Aber nur bei Nebensächlichkeiten.
„Haben Sie ihre Frau geschlagen?“, will Vorsitzender Richter Rolf Vogel wissen. „Alle Ehepaare kriegen vom Leben Bedrückungen vielerlei Art auferlegt“, hebt der Angeklagte an, es folgt eine verbale Endlosschleife. Zehn Minuten später geht die Frage im Wortsumpf unter.
Vieles reizt zum Lachen, wäre da nicht die Anklage. Als seien die Prinzen noch nicht genug, wimmelt es kurz darauf von Agenten des amerikanischen Geheimdienstes CIA bis hin zu von Scharfschützen, die auch in der Waldstraße in Wiesbaden Position bezogen haben sollen. Es ist ein fast weltumspannendes Lügengebäude, das den Prozessbeteiligten geboten wird.
Psychische Gewalt
Für eine Frau, eine junge Ärztin, war das Lügengebäude schlimmste psychische Gewalt. Opfer ist die Tochter der in der Feldbergstraße Niedergestochenen. Die 40-jährige Ärztin tritt im Dezember 2007 in Saudi-Arabien ihre Stelle in einer Privatklinik an. Sie lernt den Sudanesen kennen, der in ihrem Wohnkomplex nach einem Wasserschaden ihr Ansprechpartner wird.
Schon bald offenbart der Mann, dass ihn schwere Last drücke. Er sei Agent der CIA und den unmenschlichen, weil ungerechten Einsätzen nicht mehr gewachsen. Er könne niemandem sein Herz ausschütten. Er werde als Verräter gebrandmarkt, und von ihr wisse er, dass sie der Spionage bezichtigt werde. Eine Spionin, die sich an ihn, den Geheimnisträger, „herangemacht“ habe, wie ihm wohlgesonnene Agenten-Kumpels gesteckt hätten. Sie schwebe in großer, nein - in allergrößter Gefahr. Sie werde auf Schritt und Tritt überwacht, sei von Agenten umzingelt, ihre Wohnung verwanzt.
Funktionierende Gehirnwäsche
Die absurd erscheinende Gehirnwäsche funktioniert. Die Frau, fremd im Land, wird unsicherer, empfindet immer mehr Angst, die er ihr dosiert einjagt. Samt der Botschaft: Es gibt auf der Welt nur einen Retter - mich! Zug um Zug nimmt er Besitz von der Frau, auch körperlich. Selbst das habe die CIA gefilmt, redet er ihr ein. Sie entwickelt Wut und Hass auf die „Bösen“, und Liebe zu ihrem „Schutzengel“. Sie heiraten. Ein Akt der Rettung, redet er ihr ein. „Es ist alles nur dazu, um unseren Kopf zu retten.“ Er isoliert die Frau, die jeden Bezug zur Realität verliert. Sie schwebt am Rande des Wahnsinns und glaubt auch, dass ihre Mutter in Deutschland nur gerettet werden könne, wenn alles vor ihrer Familie geheim gehalten wird. „Es war die Hölle“, schildert die Frau. Erst nach Jahren gelingt ihr der Ausbruch. Für ihre Mutter hätte das fast den Tod bedeutet.
Der Prozess wird am 11. August um 9 Uhr fortgesetzt.
http://www.wiesbadener-kurier.de/region ... 018473.htm